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Sechs Fragen an Gustav Mahler
Herr Mahler, wir sitzen im Café Sacher und nehmen ein Gabelfrühstück zu
uns. Sie haben zu Ihrer Semmel Kunsthonig bestellt, was einen ziemlichen
Eklat mit dem Herrn Ober gab.
Mahler:
Ich esse Kunsthonig lieber als den echten, weil mir die Herstellung des
Honigs durch den Bienendarm unappetitlich ist.
Bevor Sie Ihre jetzige Stellung als Direktor der Wiener Hofoper
angetreten haben, sind Sie als Kapellmeister rasant vom Provinztheater
zu den wichtigsten Opernhäusern Europas aufgestiegen. Die Stationen
Ihrer Karriere waren Bad Hall, Laibach, Olmütz, Kassel, Prag, Leipzig,
Budapest und Hamburg. Sie haben in diesen fast 17 Jahren sehr darunter
gelitten, fern Ihrer österreichischen Heimat zu sein.
Mahler:
Ja, das ist absolut richtig. Wenn ich zum Beispiel an Kassel denke ...
Ich arbeitete dort von 1883 bis 1885 als Musik- und Chordirektor am
Königlichen Theater ... Ich lebte dort wie ein Hottentotte. Ich konnte
kein vernünftiges Wort mit jemandem sprechen. Die Kasselaner sind so
fürchterliche Haubenstöcke, dass ich eine Unterhaltung mit einem Wiener
Fiaker vorziehe.
Sie gelten als unerbittlicher, tyrannischer Dirigent, als
Perfektionsfanatiker, Leuteschinder. An der Wiener Hofoper haben Sie
erst einmal kräftig aufgeräumt. Franz Schmidt, der in Ihrem Orchester
als Cellist wirkt, berichtet, Sie hätten so viele Musiker entlassen oder
in Pension geschickt, dass er im Jahre 1897 noch der jüngste, im Jahre
1900 aber bereits der dienstälteste Cellist gewesen sei – da war er
gerade 26 Jahre alt ... Sie sind nicht gerade beliebt als Maestro ...
Mahler:
Wenn einer nicht gleich trifft, was in den Noten steht, könnte ich ihn
auf der Stelle ermorden. Ich fahre ihn an und bringe ihn so aus der
Fassung, dass er mich wirklich hasst. So fordere ich oft mehr von den
Musikern, als sie in der Tat fähig sind zu leisten, und kein Wunder,
wenn sie mir das nicht vergeben.
Ist das nicht ein Kampf gegen Windmühlen?
Mahler:
Vielleicht renne ich manchmal mit dem Kopf durch die Wand, aber da
bekommt die Wand ein Loch.
Haben Sie eigentlich Humor?
Mahler:
Selbstverständlich! Ohne die Entgiftung des Lebens durch Humor könnte
ich der Tragik der menschlichen Existenz nicht standhalten.
Herr Mahler, Sie sind begeisterter Radfahrer.
Mahler:
Ja, das bin ich. Ich errege allgemein Bewunderung auf einem Rad. Ich
scheine wirklich für das Rad geboren zu sein und werde bestimmt noch
einmal zum Geheimrad ernannt werden
(lacht). Soweit bin ich
schon, dass mir alle Pferde ausweichen – nur mit dem Läuten bin ich noch
schwach; bei dieser Gelegenheit steige ich manchmal, sehr rapid, ab.
Mahlers Antworten sind Originalzitate!
© Verena Großkreutz
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