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Im "Königreich der
Freiheit"?
Komponieren in postmodernen Zeiten – Drei junge
Komponisten im Gespräch
Sendung in SWR 2 (JetzMusik) am Montag,
31.03.2008,
23.03 bis 0.00 Uhr
Audio Hannes Galette Seidl über die Freiheit
beim Komponieren
"Was mich betrifft, so überläuft mich eine Art von
Schrecken, wenn ich im Augenblick, wo ich mich an die Arbeit
begebe, die unendliche Zahl der mir sich bietenden Möglichkeiten
erkenne und fühle, dass mir alles erlaubt ist." So formulierte
Igor Strawinsky einst seine Beklemmung angesichts der Freiheit,
die sich mit Beginn des 20. Jahrhunderts den Komponisten in
vorher nie für möglich gehaltenen Ausmaßen eröffnet hatte. In
der Moderne verloren die alten Regeln ihre bindende Kraft. Die
Krise des funktionsharmonischen Systems, der Dur-Moll-Tonalität,
weitete sich auf alle Bereiche aus, vor allem auch auf die
formale Ebene. Vergleichbar tragfähige Alternativen, Fundamente
und Verbindlichkeiten gab es nicht. Um der Gefahr des
künstlerischen Verstummens, wie es etwa Hugo von Hofmannsthal in
seinem berühmten Chandos-Brief 1902 eindringlich geschildert
hatte, zu entgehen, setzte Strawinsky der neu gewonnenen
Freiheit sein "Königreich der Beschränkung" entgegen: "Je mehr
Zwang man sich auferlegt, um so mehr befreit man sich von den
Ketten, die den Geist fesseln."
Wie hätte Strawinsky wohl in der heutigen Zeit agiert, in
einer musikalischen Welt, in der nicht nur
"unendlich" viel,
sondern prinzipiell alles möglich ist, in der es
keine Tabus mehr gibt und damit
auch keine Avantgarde? Was hätte er den Neuerungen
weltweiter Vernetzung, den unermesslichen technischen und
elektronischen Möglichkeiten abgewonnen?
In Zeiten des Stilpluralismus,
da Strömungen und Schulen jeweils nur eine von vielen sind, wo
der Glaube an einen Fortschritt im Material und daran, noch
etwas völlig Neues schaffen zu können, sich in Wohlgefallen
aufgelöst hat, stellt sich die Frage, woran sich junge
Komponisten noch orientieren können. Verzweifeln sie an der
Unübersichtlichkeit? Wie finden sie ihren künstlerischen Weg?
Wie treffen sie ihre Entscheidungen, und wer oder was hilft
ihnen dabei?
Drei von ihnen kommen zu Wort.
Über ihre Arbeitsweise, ihre musikalischen Vorlieben und
Prägungen, über ästhetische und kompositionstechnische Fragen,
über ihre Lehrer, das Publikum und die Veranstalter berichten
Birke J. Bertelsmeier (*1981), Sven-Ingo Koch (*1974) und Hannes
Galette Seidl (*1977).
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