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"Ich bin weder Meister der Beredsamkeit noch der
Musik"
Tobias
Hume, der Soldat mit der Gambe
Werkeinführung für die
Niedersächsischen Musiktage 2005
Captain Tobias Hume war ein alter
Haudegen. Vermutlich konnte er fluchen wie ein Droschkenkutscher, sang
des öfteren wilde Lieder, war trinkfest und ein wenig streitsüchtig.
Bestimmt sprach er mehrere Fremdsprachen fließend, denn Europa
durchstreifend, verdiente er sich sein Brot als Soldat und Söldner: Mal
arbeitete er als Hauptmann in der Armee des Königs von Schweden, mal
führte er russische Truppen an. Das war sein Job, und wäre es dabei
geblieben, würde sich heute niemand mehr an ihn erinnern.
Doch Tobias Hume hatte eine ungewöhnliche
Leidenschaft: Er liebte die Viola da Gamba. So sehr, dass er zu einem
der bedeutendsten Gambenspieler und -komponisten seiner Zeit avancierte.
So erschienen 1605 und 1607 in London zwei umfangreiche Notensammlungen
namens "Captain Humes Musicall Humors" und "Captain Humes Poeticall
Musicke", die insgesamt 9 Lieder sowie 134 Kompositionen für eine und
mehrere Gamben unterschiedlicher Bauart beherbergen. Neben Tänzen sind
darin vor allem Programm- und Charakterstücke enthalten, die oft
humorvolle Titel und nicht selten experimentelle Züge tragen. Grund
genug für Hume, sich im Vorwort gegen allzu harsche Kritik abzusichern:
"Ich bin weder Meister der Beredsamkeit noch der Musik, jedoch liebe ich
die feinen Sinne und habe eine Vorliebe für Harmonien; mein Beruf und
meine Erziehung galten nämlich den Waffen, und die einzige weiche Seite
meiner selbst war stets die Musik. Dieser Teil von mir war immer
großzügig, weil er nie Söldner und hinter dem Geld her sein musste."
Hume schuf mit seinen Alben einen
musikalischen Kosmos vielfältigster Stimmungen und Ideen. Titel wie
"Death", "Life", "Captain Humes Lamentations" und "Loves Farewell" sind
genauso zu finden wie "Tobacco" – ein Loblied auf den Tabak – oder "Lesson
for two to play upon one Viole", in dem gewünscht wird, dass ein Musiker
auf dem Schoß des anderen sitzt, um nun zu zweit auf nur einer Gambe zu
spielen. In "The spirit of Gambo" dagegen darf das Instrument seine
mannigfaltigen Klangeigenschaften zur Schau stellen. Auch seine
Erfahrungen als Soldat verarbeitete Hume: "Souldiers Resolution"
beschreibt eine Schlacht vom Aufmarsch bis zum Rückzug der Kämpfenden.
Zudem experimentierte er gerne mit neuen Spieltechniken: In "Harke,
harke" wird erstmals in der Musikgeschichte "col legno" gefordert
("Schlage diesen Ton mit der Bogenstange"), in anderen Stücken feierte
das Pizzicato Premiere.
Leider konnte sich unser genialer
Hauptmann mit seiner Kunst nicht sanieren. Zu alt für das Soldatenleben
bat er 1629 um Aufnahme in das Londoner Charterhouse, ein Armenhaus für
angesehene Männer, wo er 1645 etwas verwirrt starb. Was blieb, sind zwei
Bände voller Humor und Poesie, mit denen Hume der Gambe ein veritables
Denkmal setzte. Im Vorwort prophezeite
er obendrein ihren Siegeszug gegenüber der vorherrschenden Laute:
"Von nun an soll das würdige Instrument Viola da Gamba mit genauso
großer Leichtigkeit verschiedenartige und kunstvolle Musik hervorbringen
wie die Laute. Hiermit beteuere ich, dass die Dreieinigkeit der Musik,
was Stimmen, Leidenschaft und Vielfalt betrifft, in der Viola da Gamba
ebenso anmutig vereint ist wie im alleranerkanntesten Instrument. Diese
Meinung übergebe ich hier mit der Entschlossenheit eines Soldaten der
wohlwollenden Allgemeinheit."
Mit diesen Worten muss Hume John Dowland, den englischen Orpheus mit
der Laute, zutiefst verärgert haben. Mal abgesehen davon, dass Dowland
dem Imageverlust der Laute in den folgenden Jahren machtlos zuschauen
musste, war er aber doch der erfolgreichere der beiden Musiker.
Denn Dowland konnte von seiner Kunst
leben. Seinen Traumjob als Lautenist am königlichen Hof in
England bekam er zwar erst 1612 im Alter von
50 Jahren. Aber da war er als erfolgreicher Lautenvirtuose schon
weitgereist und hatte mit diversen Veröffentlichungen (vorwiegend
Liedern mit Lautenbegleitung) Aufsehen erregt. Bedauerlicherweise
scheint ihn nach Erhalt seiner Traumstelle die Inspiration verlassen zu
haben, denn bis zu seinem Tode 1626 entstanden nur noch wenige
Kompositionen. Im Gegensatz zum lebenszugewandten Captain war Dowland
Melancholiker. In seinen bedeutendsten Werken geben sich Dunkelheit,
Trauer und Todessehnsucht die Hand.
© Verena
Großkreutz
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