Essays
Das Essay ist eine der attraktivsten Textformen. Es gibt wenige Vorgaben. Es geht darum, eigene Thesen zu entwickeln, zu reflektieren, Stellung zu beziehen. Wissenschaftlich korrekt muss es natürlich sein, aber man kann sehr frei schreiben, weil man nicht alles akribisch belegen muss. Fußnoten sind tabu. Ein schriftlicher Denkversuch, der ungeheuer Spaß macht und der auch für die Gedenktage-Würdigung von Künstler*innen-Persönlichkeiten geeignet ist. Die meisten meiner Essays entstanden für die ambitionierte „Spiegel der Zeit“-Seite in der Wochenendausgabe der Eßlinger Zeitung.
Was wird am Ende übrig bleiben? Die Corona-Lockdowns und ihre Folgen für die Kultur
Es ist eine unglaublich öde Zeit. Die Zentren der Städte liegen abends im Dornröschenschlaf. Kinos, Theater, Konzertsäle, Restaurants, Tanzclubs zu. Selbst der neue James Bond hockt in der Warteschleife, obwohl sein Titel so geschäftig aktuell klingt: „Keine Zeit zu sterben“. Agent 007 gehört zumindest nicht zu denen, die vor Langeweile sterben. Geheimagenten sind mutmaßlich systemrelevant.
Erotik im Konzertsaal? Die Rituale der klassischen Musik sind unsexy und bis heute konserviert – Wer das ändern will, wird peinlich
Gegen das unverhohlen Sexuelle, Körperliche sträubt sich die instrumentale Kunstmusik – zumindest gemäß ihrer klassischen Ästhetik als absolute Musik, die nur sich selbst bedeuten will. Spannungssteigerungen, energetische Ballungen und ihre Entladung können alles mögliche bedeuten. Aber eine Harmonie- oder Formenlehre des sexuellen Aktes in der Musik wurde nie geschrieben.
Mein Krampf. Was bringt die kritisch kommentierte Neu-Edition von Hitlers „Mein Kampf“? – Ein Lektüre-Selbstversuch
Da liegen sie nun auf meinem Schreibtisch und warten auf meine Lektüre: zwei Riesen-Bände in DIN-A3-Format. Gesamtgewicht: 5,134 Kilo. 1966 Seiten, in schickem, hellgrauem Leinen gebunden, auf edlem, eierschalenfarbenem Papier gedruckt – als wäre es ein nobler Klassiker. Es ist aber Adolf Hitlers hetzerische Propagandaschrift „Mein Kampf“.
Das Ohr mag, was es kennt. Wie wir Musik empfinden, entscheidet die Kultur, in der wir aufwachsen
Evelyn Glennie ist so gut wie gehörlos. Sie ist eine weltberühmte Schlagzeugerin. Töne, Klänge, Musik nimmt sie vor allem über Vibrationen wahr. Auch Beethoven verlor sein Gehör. In den letzten Jahren seines Lebens war er gänzlich ertaubt. Für ihn eine Katastrophe, für die Nachwelt vermutlich ein Segen. Denn sein Spätwerk, entstanden in dieser Zeit völliger Ertaubung, ist revolutionär.
Und nur der Himmel über uns. Allerorten schießen Klassik-Open-Airs wie Pilze aus dem Boden – Worauf gründet sich der Boom?
Musik unter freiem Himmel – das gab es schon immer. Nicht nur was Tanz-, Blas-, Kur- oder Militärkapellen angeht und nicht nur, was Musik fürs Volk betrifft. Für den Wiener Adel des 18. und frühen 19. Jahrhunderts etwa waren Bläserensembles so etwas wie die Hifi-Anlage späterer Zeit: ein bezahlbarer Orchesterersatz zwecks festlicher Freiluft-Beschallung. So wurden draußen fleißig Serenaden, Divertimenti und vor allem Hits aus Opern geblasen.
Fußball und Musik. Auch Orchestermusiker tun „es“
Warum gibt es keine Fußball-Weltmeisterschaft der Orchester? Warum brauchen die Fanchöre in den Fußballstadien keine Dirigenten? Und warum hört niemand auf Giovanni Trapattoni? Ein feuilletonistischer Streifzug findet ein paar Antworten.
Dichter der Frühe. Wegweiser der Moderne: Vor 200 Jahren wurde Georg Büchner geboren
Worte wie Pfeilspitzen, die Schlag auf Schlag ins Schwarze treffen, weil sie so scharf geschliffen sind wie Aphorismen. Worte, die einem für immer in den Gehirngängen hängen bleiben, hat man sie einmal gehört. Worte, die das Leben, die Menschen, die Welt so auf den Punkt bringen, dass sie erschüttern angesichts der Jugend ihres Verfassers. Die Rede ist von Georg Büchner, der vor 200 Jahren, am 17. Oktober 1813, geboren wurde.
Musik als Seelensprache. Der große Sohn: zum 300. Geburtstag Carl Philipp Emanuel Bachs
Es gab einmal eine Zeit, da meinten Musikenthusiasten, wenn sie vom „großen Bach“ sprachen, nicht Johann Sebastian, sondern Carl Philipp Emanuel, seinen
zweitältesten Sohn. Nicht nur der englische Bildungsreisende und Musikforscher Charles Burney war damals der Meinung, sein Freund Carl Philipp Emanuel sei „gelehrter als selbst sein Vater“. Und O-Ton Mozart: „Er ist der Vater; wir sind die Bub’n. Wer von uns ’was Rechts kann, hat von ihm gelernt.“
Den Dingen auf den Grund gehen. Vor 100 Jahren starb der Komponist und Dirigent Gustav Mahler
Gustav Mahler gehört heute weltweit zu den medial und diskursiv präsentesten Komponisten der Musikgeschichte. In ihrer Bedeutung werden seine neun Sinfonien allgemein und unangefochten mit denen Beethovens gleichgesetzt. Als Mahler am 18. Mai 1911 in einem Wiener Sanatorium 50-jährig verstarb, hatte er es als Dirigent zu Weltruhm gebracht. Als Komponist dagegen war er heftig umstritten.